Beim Themenabend der BI „Gut Leben in Klein-Winternheim“ drehte sich alles um die Zukunft des Wohnens auf dem Land – unter dem Motto „Wohnen im Dorf: nachhaltig – bezahlbar – gemeinsam“. Rund 100 Interessierte verfolgten die Diskussion, moderiert von Werner Eckert. Auch nach dem offiziellen Teil kam es noch zu einem regen Austausch zwischen den Podiumsgästen und dem Publikum. Viele Rückmeldungen lobten die Inhalte und sprachen sich dafür aus, die Veranstaltungsreihe – wie von uns vorgesehen – fortzusetzen.
Expertinnen und Experten beleuchteten Themen wie Klimaanpassung, Umbau bestehender Häuser und den Erhalt historischer Bausubstanz.
Meteorologin Franziska Teubler vom Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen zeigte eindrucksvoll, wie der Klimawandel – besonders in Rheinhessen – durch Hitzewellen, sommerlichen Starkregen und Wärmeinseleffekte in Städten das Wohnen zunehmend beeinflusst. Mittlerweile stehen Klimadaten, z.B. zu Temperaturerhöhung und Niederschlag, auch für für Regionen wie Rheinhessen zur Verfügung. Beim Niederschlag kommt Rheinhessen nur im Winterhalbjahr noch einigermaßen glimpflich davon, im Gegensatz zum Osten der Republik. Die Dringlichkeit, dem Klimawandel zu begegnen, darf weder verdrängt noch infrage gestellt werden – gleichzeitig ist eine Anpassung an steigende Temperaturen unvermeidlich. Anhand einer Satellitenkarte der Sommertemperatur in Klein-Winternheim zeigte Frau Teubler, wie groß die Temperaturunterschiede zwischen wärmespeichernden, vegetationsarmen Wärmeinseln im Zentrum und den umliegenden Gebieten sind. Eine „blau-grüne Infrastruktur“ und Anpassung der Architektur besonders im Dorfinneren tut not; daher warb Frau Teubler leidenschaftlich für das Prinzip der „Schwammstadt“ mit Grün- und Wasserflächen, wenig Versiegelung und guter Wasseraufnahme.



Thomas Hahner und Jan Steinbach stellten das Modell ihrer Genossenschaft „Zukunftsraum“ mit rund 100 Mitgliedern vor, das durch gemeinschaftliches Wohnen, Sanierung bestehender Gebäude und soziale Konzepte wie barrierefreien Wohnraum und Gemeinschaftsflächen neue Wege aufzeigt – besonders für Regionen wie Rheinhessen mit hohem Anteil an Einfamilienhäusern. Im Jahr 2023 betrug die Pro-Kopf-Wohnfläche in Rheinland-Pfalz 54,4 m², mit steigender Tendenz. Das Ziel ist daher, Bestandsgebäude zu erweitern und zu verdichten. Zu diesem Zweck erwirbt die im August 2021 gegründete Genossenschaft mit Sitz in Ingelheim Häuser, die sie energieeffizient, ästhetisch und qualitätsvoll gestaltet und für gemeinschaftliche Wohnzwecke nutzt. Zum Beispiel wurde ein nur noch von einer Person bewohntes Haus mit 1300 m² Grundstück so umgestaltet, dass nun neun Wohneinheiten mit 15% Gemeinschaftsflächen zur Verfügung stehen. Davon sind fünf barrierefrei und drei sozial gefördert. Durch ein geschicktes genossenschaftliches Modell mit Eigentum und Miete stehen nun – unkündbare – Wohnungen für ca. 16€ warm (sozial gefördert 10€) zur Verfügung.



Christine und Dennis Kraus ermutigten mit ihrer Erfahrung zur ostengünstigen Sanierung historischer Bauten auch ohne Fachkenntnisse – mit Eigenleistung nach Bauherrencoaching, alten Bautechniken und Kreativität. Sie renovieren ein ehemaliges Weingut aus dem Jahr 1821. Deshalb können sie für Gleichgesinnte und Interessierte viele Hinweise für die günstige Sanierung alter Bauten geben. Sie bekamen etwas historisches Baumaterial, welches von den Eigentümer entsorgt worden wäre, geschenkt oder erwarben dieses günstig. Generell gelte: Zeit lassen, sich etwas zutrauen, selbst machen, was geht – und wenn man mal nicht weiter wisse, gebe es genug Hilfsvideos im Internet und gezielte Hilfen von Handwerkerinnen und Handwerkern. Familie Kraus ist aktives Mitglied der 1973 gegründeten „Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. – Wir lieben alte Häuser„, mit bundesweit 150 Kontaktstellen und ungefähr 6000 Mitgliedern, die praxisnahe Expertise anbietet.



In der abschließenden Diskussion betonten die Ortsbürgermeister Oliver Saling und Matthias Becker sowie Architekt Jochen Schraut, wie wichtig es sei, bauliche Identität zu bewahren – mit flexiblen Regeln, Beteiligung der Öffentlichkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Wohnformen. Schraut und Saling unterstrichen die Chancen von Genossenschaften, die vielfältige Perspektiven und Bedürfnisse in die Planung einbrächten, Kosten senken und Flexibilität schaffen könnten. Becker verwies auf bestehende Gestaltungssatzungen der Ortschaften als „Masterplan“, die die Rahmenbedingungen für solch eine bauliche Identität schaffe und das Gemeinschaftsgefühl stärke.
