28.07.2021 Stellungnahme zum 19.07.21

Die Replik der Gemeinde beginnt mit der Feststellung von „Irritierungen und Unmut“ und dass Aussagen getroffen wurden, die nicht den Tatsachen entsprächen. Danach wird beschrieben, dass sich die Gemeinde an die gesetzlichen Vorgaben (Offenlegung, Verkehrsgutachten usw.) hält, was nie bestritten wurde. Das Schreiben endet mit einer falschen Darstellung. Es stimmt, dass der BI mitgeteilt wurde, dass eine Mitarbeit in den Ausschüssen prinzipiell möglich wäre. Diese sind aber in ihrer Teilnehmerzahl eingeschränkt und eine Mitarbeit wäre nur dann möglich, wenn die Fraktionen bereit sind, Plätze abzugeben. Ein solches konkretes Angebot existiert nicht. Daher ist die Aussage, dass bislang Angebote, in den Ausschüssen mitzuarbeiten, nicht angenommen wurde, irreführend. 

Wo finden sich im Originalartikel Aussagen, die „nicht den Tatsachen entsprechen“? Dazu werden in der Replik der Gemeinde – bis auf das „Durchwinken“ – keine Argumente geliefert. Der Originalartikel beschreibt objektiv, dass für die straßenzugewandte Seite die Gestaltungsordnung berücksichtigt wird. Auf die Veränderungssperre für den „Oma Lotte-Komplex“ wird ebenfalls hingewiesen. Über ein gutes Gespräch mit den Parteien wird – sogar als Überschrift – berichtet. Dass die Frage, unter welchen Bedingungen die ortstypische Bebauung laut Erhaltungsordnung eingehalten werden muss, zufriedenstellend beantwortet ist, kann niemand behaupten. Abweichungen von der Erhaltungs- und Gestaltungsordnung spricht die Gemeinde in den Dokumenten zur Offenlegung selbst an. Auch ist ein Verkehrsgutachten zu einer spezifischen Baumaßnahme etwas ganz anderes als ein Verkehrskonzept, das auch laufende und zukünftige (Neu-)Baumaßnahmen einbezieht.

Obwohl der Originalartikel in einem sehr verbindlichen Ton gehalten ist, dramatisiert die Replik geschickt den Vorwurf „eines Durchwinkens durch den Gemeinderat“ und spricht in Folge von „Irritierungen und Unmut“. Dazu ist es hilfreich, die entsprechende Stelle im Originalartikel noch einmal zu lesen und in den Kontext zu stellen. Dort steht: „Die Kritik der BI richtet sich an den Gemeinderat, ‚der so etwas durchwinkt‘, blickt Seckert auf das Nachbargrundstück und in die Bahnhofstraße gleichermaßen.“ Es geht also keineswegs um eine generelle Kritik an der Arbeit des Gemeinderats, was eine kritische Prüfung von Vorlagen der Gemeinde angeht, sondern nur um die aufgezählten Baumaßnahmen in der Bahnhofstraße und in der Hauptstraße. Konkret ging es auch darum, dass umfangreiche Unterlagen kurzfristig den Gemeinderatsmitgliedern zur Verfügung gestellt wurden und wenig Zeit zur Verfügung stand, die Tragweite vollständig zu erfassen.

Journalist*innen haben selbstverständlich die Freiheit, Texte durch die Auswahl und Betonung von Aussagen interessant zu schreiben: Journalismus lebt auch davon, dass „Emotionen geweckt werden“. Es fand, wie bei solchen Artikeln üblich, keine „Textfreigabe“ durch die BI statt. Z.B. wurde dem expliziten Wunsch der BI, keine Namen von Grundstücksinhaber*innen zu nennen, nicht entsprochen. Dies soll keineswegs als Kritik am Journalisten verstanden werden, es ist sein gutes Recht hier nach seinem Gewissen zu gewichten.

Laut Bebauungsplan sollen 19 Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern und 4 Wohnungen im Bestandsgebäude errichtet werden (nicht 18 plus 6, wie in der Replik angegeben). In einer der Gutachten wird von einer „maximalen Ausnutzung der Fläche unter Berücksichtigung der baurechtlichen Vorgaben“ gesprochen.

Es findet sich die Bemerkung: „In diesem Zuge beabsichtigt die Gemeinde weitere Teile des Ortskerns in die Planung aufnehmen, um Rahmenbedingungen für künftige Bautätigkeiten und Klarstellungen für die Bestandsbebauung zu treffen. In Abstimmung mit der Kreisverwaltung wird diese übergreifende Planung grundsätzlich befürwortet.“ Aus diesem Grund sind Präzedenzfälle, bei denen von der Erhaltungsordnung abgewichen wird, problematisch. In Zukunft wird man sich immer darauf berufen können. Mittel- und langfristig wird sich der Erweiterungsdruck auf stadtnahe Dörfer weiter erhöhen, da Städte einen Teil ihrer Attraktion durch die Erfahrungen während der Corona-Pandemie verloren haben.

Heimbüro, Interneteinkauf und weniger Geschäftsreisen führen zu einem geringeren Zubau von Büro-, Einzelhandel- und Hotelgebäuden, sodass Investor*innen sich vermehrt dem privaten Wohnungsbau zuwenden. Die Grundstückspreise sind derart hoch, dass eine hohe Standfestigkeit nötig ist, um als Grundstücksinhaber*in eine Maximalbebauung durch Investor*innen abzulehnen. Um diesen moralischen Konflikt zu vermeiden, ist es wichtig, dass die Gemeinde verbindliche Grundsätze aus der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung und darüber hinaus in den Bebauungsplänen festschreibt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der liebenswerte Charakter von Klein-Winternheim – insbesondere hinter den Fassaden – verloren geht. Noch bestimmen etwas Grün und offene Bereiche das Ortsbild, seien es private Gärten, Höfe oder informell begrünte Fleckchen.

In dem Schreiben der Gemeinde wird von massivem Bedarf gesprochen. Es wird allerdings nicht erläutert, wie dieser Bedarf ermittelt wurde. Das Schaffen von (Wohn-)Angeboten und die anschließende Feststellung, dass diese genutzt werden, ist keine Bedarfsplanung. Woher stammt die Kenntnis, dass nicht auch andere Bauformen und Angebote genauso gerne von den Bürger*innen angenommen werden würden? Zudem gibt es in Klein-Winternheim nach wie vor Leerstände.

Ein massiver Bedarf an Wohnungen sollte nicht durch den Abriss erhaltenswerter Gebäude gedeckt werden.

Ende Januar gab es einen Leserbrief in der AZ, der in der KW 5 veröffentlicht und in dem auf die Gefahren bei Oma Lotte hingewiesen wurde. Erst daraufhin, am 12.2.21, gab es eine Veränderungssperre durch den Gemeinderat.